Streik an deutschen Universitäten: Die Forderungen der TVStud-Initiative

Artikel: Volker Strauß | Die TVStud-Initiative hat das Wintersemester 23/24 zum Streiksemester erklärt [Foto: Kay Herschelmann]

Wenn wir in diesen Tagen das Wort Streik hören, haben wir vermutlich alle Bilder von gestrandeten Pendler:innen, verstopften Straßen, oder wütenden Bauern vor Augen. Aber auch bei uns an der Uni wurde letztes Jahr gestreikt. Die TVStud-Initiative (Tarifvertrag Studierende) hat das Wintersemester 2023/24 zum Streiksemester erklärt. Ziel war es, einen Tarifvertrag für Studentische Beschäftigte (z. B. Hilfskräfte und Tutor:innen) zu erreichen. Denn den gibt es bisher nur in Berlin und sonst keinem Bundesland.

Studentische Beschäftigte sind essentiell für deutsche Universitäten. Sie sind ein wichtiges Zahnrad im Wissenschaftsbetrieb. Sie arbeiten in Bibliotheken, leiten Tutorien, aktualisieren Webseiten und führen Literaturrecherchen durch. „Die Arbeitsbedingungen an der Universität wurden bisher von den Arbeitgebern, also den Universitäten bestimmt“, so Nico Aichner, Mitglied der TVStud-Initiative an der Universität Duisburg-Essen. „So gibt es beispielsweise keine Regel für Befristungen, also auch keine Planungssicherheit für die Beschäftigten.“ Auch das Lohnniveau liegt meist nur knapp über dem geltenden Mindestlohn. „Besonders für Studierende, die keine finanzielle Unterstützung von zu Hause oder auch kein BAföG bekommen, ist es schwierig, ihr Studium mit einem SHK-Job zu finanzieren.”

Ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte würde sich auch auf anders beschäftigte Studierende auswirken. Ein Mindeststandard in Bezug auf Lohnniveau und Arbeitszeit seitens der Universität würde auch einen höheren Standard für beispielsweise Werkstudent:innen setzen. Und auch das Entgelt für studentisch Beschäftigte mit Bachelorabschluss erhöht sich mit einem Tarifabschluss, liegt dieses doch meist 1,5 bis 2 Euro über dem Lohn der studentischen Beschäftigten.

16,50 Euro Stundenlohn und eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten – das waren die Forderungen der TVStud-Initiative. In den Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Tarifgemeinschaft deutscher Länder (Tdl) wurde zwar kein Tarifvertrag, aber eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen. Der Unterschied ist, dass Studierende hier ihre Ansprüche nicht einklagen können, eine Verletzung dieser stellt aber einen Vertragsbruch dar. Die Vereinbarung legt erstmals eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr und einen Stundenlohn von 13,25 Euro fest. Zu wenig, findet Nico Aichner: Wir waren auf jeden Fall enttäuscht, weil der Abschluss weit von unseren Forderungen entfernt war. Wenn man sich aber die TVStud-Initiative ansieht, hat diese einen großen Schritt nach vorne gemacht. Vorher gab es überhaupt keine bundesweite Initiative.“ Zudem wird in der nächsten Tarifrunde erneut über die Arbeitsbedingungen verhandelt – die findet aber erst in knapp zwei Jahren statt. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. „Wir müssen es jetzt schaffen, langfristige Strukturen an den Universitäten aufzubauen, auf die wir bei den nächsten Verhandlungen zurückgreifen können und die uns bei der Erreichung unserer Ziele unterstützen“, so Aichner. 

Durch die hohe Fluktuation der studentischen Beschäftigten und die meist kurze Anstellungsdauer, ist die langfristige gewerkschaftliche Organisation an Universitäten schwieriger als in zum Beispiel Industriebetrieben, was beispielsweise am heterogenen Berufsbild in den Universitäten liegt. Laut Nico Aichner ist fehlende gewerkschaftliche Organisation auch ein Versäumnis der Gewerkschaften: „Wenn die Studierenden nie etwas von Gewerkschaften hören,weil dies an den Universitäten nicht sichtbar sind, dann werden sie auch keine Mitglieder werden und bleiben“. Es sei wichtig, gewerkschaftliche Bildung und eine Streik- und Gewerkschaftskultur zu etablieren, um langfristige Strukturen zu entwickeln. „Dadurch lohnt sich es sich zum einen für die Gewerkschaft, aber auch die Studierenden sehen: Hey, da tut sich was.”

Wer die TVStud-Initiative unterstützen möchte, muss nicht unbedingt Mitglied in einer Gewerkschaft sein. Gewerkschaftsmitglieder bekommen aber Streikgeld und rechtliche Beratung. „Wenn ein Großteil der Beschäftigten im Betrieb in einer Gewerkschaft ist, stärkt das auch die Verhandlungsmacht. Wenn die Arbeitgeber hingegen wissen, dass ohnehin nur ein paar Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert sind, dann wissen sie auch, dass sie bei einem schwachen Angebot nicht viel zu befürchten haben.

Auch die Vernetzung mit Kolleg:innen und das Sprechen über Tarifvertrag und Arbeitsbedingungen ist sinnvoll. Das hilft dabei, das Thema Gewerkschaft in den Universitätsalltag zu integrieren. „Es freut uns auch sehr, wenn Studierende zu unseren Veranstaltungen kommen. Wer motiviert ist, sich aktiv einzubringen, kann in unser Orga-Team kommen. Auch wenn man nicht viel zeitliche Kapazitäten hat, kann sich jeder im individuell möglichen Umfang einbringen.”

Mit der schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen TdL und Gewerkschaften wurde der Grundstein für einen Tarifvertrag für studentisch Beschäftigte gelegt. Jetzt heißt es, neue Strukturen aufzubauen und für gewerkschaftliche Themen zu sensibilisieren, um gestärkt in die nächste Tarifrunde zu gehen.


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