Artikel: Selome Abdulaziz | Das Cover des Albums Generation Maximum von Culk erzeugt ein dystopisches Gefühl. [Foto: Sophie Löw]
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir blicken zurück auf das musikalische Geschehen 2023. Wir präsentieren euch die zehn besten Alben des Jahres in Reihenfolge des Erscheinungsdatums.
- Arlo Parks – My Soft Machine (26. Mai 2023)
Trotz ihres jungen Alters ist die britische Sängerin aus der alternativen Musikszene kaum wegzudenken. In ihrem zweiten Album bleibt die 23-Jährige ihrem Stil zwischen R&B, Soul, Indie-Pop und elektronischen Klängen treu. Die bisexuelle Musikerin singt offen über ihre queere Identität. Dank Parks sanfter Stimme und den entspannten Beats lädt einen das Album dazu ein, im Moment zu sein und strahlt Sorglosigkeit aus. In ihren Texten spricht sie über die Liebe zu Frauen und erzählt nahbare Alltagsgeschichten. Der catchy Track Blades handelt von unerwiderter Liebe, die upbeat Musik bietet einen spannenden Kontrast zu den traurigen Lyrics.
Für Fans von: Clairo, Phoebe Bridgers, Beabadoobee
Bester Song: Purple Phase
- Miese Mau – Blumenstrauß (09. Juni 2023)
Mit Synthesizer-Klängen und melancholischen Beats fängt Miese Mau auf seinem zweiten Album die Essenz der 80er Jahre ein. Er schafft ein Album mit Ohrwurm-Potential, das dem aufstrebenden Genre Neue Neue Deutsche Welle einen frischen Anstrich verpasst. Die traurigen Texte, apathisch vorgetragen und von eingängigen Melodien begleitet, verleihen Blumenstrauß eine einzigartige Sogwirkung. Die Platte hat sehr schöne Features. Besonders Keine Tränen mit bishkek und Panzerglas mit Nils Keppel stechen hervor. Miese Mau wird sich in eure Herzen singen und gleichzeitig eure Füße zum Tanzen bringen.
Für Fans von: Nils Keppel, Steintor Herrenchor, Absteige
Bester Song: Keine Tränen
- Alice Phoebe Lou – Shelter (07. Juii 2023)
Passend zum Albumtitel lädt Alice Phoebe Lous fünftes Album Shelter dazu ein, sich in den Klanglandschaften zu verlieren und Zuflucht vor den Anstrengungen des Lebens zu finden. Es fühlt sich an wie ein Sonntagmorgen, an dem man in eine warme Decke gehüllt mit einer heißen Tasse Tee aus seinem Fenster schaut und in schönen Erinnerungen schwelgt. Die Künstlerin, bekannt für ihre Indie-Folk-Klänge, fügt diesem Werk Jazz und Country Elemente hinzu, die dem Album eine erfrischende Vielfalt verleihen. Titel wie Angel und Open My Door sind melancholisch-verträumt, Songs wie Halo und Shine erlauben ein hoffnungsvolles Schwimmen im Moment. Die aus Südafrika stammende Künstlerin produziert ihre Alben selbst und betont immer wieder ihre Unabhängigkeit.
Für Fans von: Mitski, Adrienne Lenker, Kate Bollinger
Bester Song: Shine
- Hozier – Unreal Unearth (18. August 2023)
Auf seinem dritten Album bleibt Hozier seinem Sound zwischen Folk, Indie und Blues treu, erweitert diesen aber um Piano Balladen (To Someone From A Warm Climate (Uiscefhuarithe)) und Afrobeat Elemente (Anything But). Er fand Inspiration in Dantes Inferno, das er während des Schreibens des Albums las. Die neun Kreise der Hölle dienten als kreative Landkarte für die Struktur seines neuen Werks. Auf Unreal Unearth singt er zum ersten Mal auf Irisch und stärkt die Verbindung zu seiner irischen Identität, davon handelt beispielsweise der Song Butchered Tongue. Das Album zeigt eine gelungene Mischung aus ruhigen, melancholischen Stücken und eingängigen Pop-Hymnen wie dem mitreißenden Hit Eat Your Young.
Für Fans von: Ben Howard, James Bay, George Ezra
Bester Song: De Selby (Part 2)
- Flawless Issues – Modern Past (01. September 2023)
Der Musiker Flawless Issues zeigt auf seiner ersten LP, dass er einer der kreativsten Acts der Neuen Neuen Deutschen Welle ist. Modern Past bewegt sich zwischen Post-Punk und New Wave, Flawless Issues arbeitet mit experimentellen Sounds und Alltagsgeräuschen (U8). Auf Instagram schreibt der Künstler über sein Debüt, dass er es in seinem Zimmer in Berlin Neukölln im Sommer 2022 aufgenommen hat. Es klinge roh, da es eine Momentaufnahme dieser Zeit sei. Genau diese Unpoliertheit erzeugt beim Hören starke emotionale Resonanzen und trägt zur Vielseitigkeit und Authentizität des Albums bei. Die Palette der Songs reicht von verträumt und melancholisch (°°heiliger°°See°°°, Sunday) bis hin zu Techno-Fiebertraum (Tennis Court).
Für Fans von: Drangsal, Edwin Rosen, lauenburg
Bester Song: Self Reflection
- Slowdive – Everything Is Alive (01. September 2023)
Die britische Band Slowdive gehörte in den 1990ern zu den Pionieren des Shoegaze, besonders ihr zweites Album Souvlaki (1993) gilt heute als eins der wichtigsten Alben des Genres. Mit Everything Is Alive bringen sie ihr fünftes Album raus, das verstärkt elektronische Elemente beinhaltet. Der elektronische Sound lässt sich dadurch erklären, dass Songwriter Neil Halstead die Songs ursprünglich am Synthesizer für ein elektronisches Solo Projekt schrieb. Die Stimmen von Rachel Goswell und Halstead schaffen ein Gefühl von Schwerelosigkeit. Durch die sich wiederholenden Lyrics in Kombination mit psychedelischen musikalischen Elementen wird das Album fast zu einem transzendentem Erlebnis.
Für Fans von: Warpaint, My Bloody Valentine, Beach House
Bester Song: Kisses
- The Beaches – Blame My Ex (15. September 2023)
Die Geschichte der Indie Pop Band The Beaches zeigt mal wieder die Macht der App TikTok. Die virale Single Blame Brett beschert den Kanadierinnen nach einem Jahrzehnt im Musikbusiness den späten Durchbruch. In dem Track kündigt das lyrische Ich an, beim Dating keine Rücksicht auf Verluste mehr zu nehmen. Statt sich selbst in Verantwortung zu nehmen, schiebt sie die Schuld auf ihren Ex Brett. Das gesamte Album beschäftigt sich mit dem Thema Trennung: „It’s about what happens after a break-up”, erklärt Sängerin Jordan. Besonders das Wiederentdecken der eigenen Identität steht im Mittelpunkt. Die beschriebenen Szenen in den Songs muten an wie Ausschnitte aus einer Sitcom und lassen sich leicht nachempfinden. Der Mix aus modernen Themen und einem nostalgischen 2000er Pop-Punk-Sound macht diese Platte absolut hörenswert!
Für Fans von: Body Type, Wet Leg, Mallrat
Bester Song: Blame Brett
- Blush Always – You Deserve Romance (29. September 2023)
Die Leipziger Solo-Künstlerin Blush Always betritt nach einigen EPs mit ihrem ersten Album You Deserve Romance im Herbst dieses Jahres die Bühne. Durch die Fusion von Coming-of-Age-Lyrics und punk-inspiriertem Indie-Rock schafft sie eingängige Songs. You Deserve Romance ist nicht nur ein beeindruckendes Debüt, sondern auch eine Liebeserklärung an das Romantische, verpackt in einer rebellischen Klanglandschaft. Durch ihre ehrlichen, bildhaften Lyrics erlaubt die Musikerin einen Einblick in ihre Gedankenwelt, in der sich viele Menschen wiederfinden können. Blush Always verspricht, eine aufstrebende Stimme zu werden, die frischen Wind in die Musikszene bringt.
Für Fans von: Soccer Mommy, BROCKHOFF, Snail Mail
Bester Song: Coming of Age
- SMILE – Price of Progress (13. Oktober 2023)
“SMILE is a post-punk band with a singer, who prefers not to sing”, beschreibt sich die Kölner Band selbst. Ihr beeindruckendes Debütalbum zeichnet sich durch eine ausgefeilte Struktur aus, die jedoch keineswegs zu intellektuell wirkt. Der Songaufbau ist perfekt ausbalanciert: Laute, rauschende Passagen wechseln genau im richtigen Moment zu ruhigen, sphärischen Klängen, ohne dabei vorhersehbar zu sein. Inmitten von Post-Punk mit Noise Rock Elementen erzählen die eindringlich vorgetragenen Lyrics Geschichten, in die man sich fallen lassen kann. Produzent ist Olaf Opal, der mit Größen wie Juli, The Notwist und Odd Couple zusammengearbeitet hat und mal wieder einen guten Riecher für eine Band hatte, von der wir sicher noch viel hören werden.
Für Fans von: DITZ, She-Dog, Lawn Chair
Bester Song: Dog In The Manger
- Culk – Generation Maximum (17. November 2023)
Die österreichische Band Culk bewegte sich bisher zwischen Post-Punk und Shoegaze, sprengt auf ihrem dritten Album aber einengende Genre-Fesseln. Sängerin und Songwriterin Sophie Löw beweist, wie präzise und poetisch sie die deutsche Sprache benutzen kann und schreibt Texte, die berühren und nachhallen. Besonders das zerbrechlich vorgetragene Flutlicht beeindruckt. Die mal bedrohlich sanfte (2000, Generation Maximum), mal aggressive Musik (www) sowie die unheilvollen Lyrics („Ein Feuerball, der in unsere Richtung treibt“) erzeugen ein dystopisches Gefühl, das durch das beeindruckende Cover unterstrichen wird. Generation Maximum ist kein Album zum nebenbei hören, es entfaltet seine aufwühlende Wirkung erst beim aufmerksamen Zuhören. Aber es lohnt sich!
Für Fans von: Lyschko, Erregung Öffentlicher Erregung, All Diese Gewalt
Bester Song: Willkommen in der Hedonie